Wir alle tragen wahrscheinlich die prägende Kindheitserinnerung in uns, wie herrlich es sich anfühlt, bei einer Wanderung oder einem Spaziergang über Feld und Wiesen durch ein Meer an prächtigen Blumen in allen Farben und Formen zu schreiten – begleitet von Schmetterlingen mit unterschiedlichsten Mustern, friedlich summenden Wildbienen und dem unverkennbaren Gezirpe der Grillen und Heuschrecken. Heutzutage sind die Möglichkeiten eines solchen Erlebnisses leider etwas rarer geworden, sei es aufgrund der fortschreitenden Zersiedelung, der intensiv genutzten Landwirtschaft oder aus anderen Gründen. Umso wichtiger ist es, dieser Entwicklung proaktiv zu begegnen und freie Flächen im eigenen Garten mit einer Blumenwiese zu versehen.
Eine Blumenwiese ist nicht nur hübsch anzusehen, sie leistet auch einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der einheimischen Flora und Fauna. Magere Blumenwiesen sind nämlich unsere Mini-Regenwälder, die pro Quadratmeter bis zu 60 Pflanzenarten sowie tausende Insekten und Spinnentiere beherbergen, von denen wiederum grössere Tiere wie Vögel oder Amphibien leben. In der Natur vorkommende Blumenwiesen sind lang gewachsene Ökosysteme (wie ein Wald), die bis zu 50 Jahre und älter sein können. Glücklicherweise ist der Begriff Biodiversität zurzeit in aller Munde, und im Zuge dieses wachsenden ökologischen Bewusstseins in der Bevölkerung ziehen es immer mehr Gartenbesitzer in Betracht, einen Teil ihres Gartens mit einer Magerwiese oder einem Blumenrasen zu bereichern. Die Saat einer artenreichen Blumenwiese ist jedoch anspruchsvoll und setzt v.a. zu Beginn einiges an Geduld und die richtige Pflege voraus. Wenn aber ein paar wichtige Regeln eingehalten werden, gelingt praktisch jede Neuauflage und die Gartenbesitzer werden jedes Jahr aufs Neue mit wunderschönen Stimmungsbildern belohnt.
Im Garten kann man auch auf kleinen Flächen Blumenwiesen anlegen. Dazu sollte man die Grasnarbe abräumen und mit regionalem Saatgut eine dauerhafte Wiese anlegen, die man am besten mit der Sense mäht. Beim Saatgut lohnt es sich darauf zu achten, dass Saatmischungen mit einheimischen Pflanzen und Gräsern mit Herkunft aus der Schweiz verwendet werden. Im Handel sind viele sog. „Blütenwiesen“ im Angebot. Diese haben viele einjährige, durchaus attraktive Ackerblumen in der Mischung, wie z.B. der Klatschmohn oder die Kornblume. Diese Mischungen sind aber darauf ausgelegt, dass sie immer wieder auf offene Böden absamen können und haben mit langjährigen, stabilen und ökologisch sehr wertvollen Blumenwiesen nichts zu tun.
Ein paar Gedanken vor dem Anlegen
Bevor eine artenreiche Blumenwiese ausgesät wird, ist es lohnenswert, sich über einige Fragen und Tatsachen im Klaren zu sein:
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Wie und von wem wird die zukünftige Fläche benutzt?
Eine Blumenwiese kann zwar als Spielwiese genutzt werden, eignet sich aber gar nicht, um bspw. Fussball oder Badminton zu spielen. Im Juni vor der Mahd sind einzelne Pflanzen in einer Weise teilweise über einen Meter hoch.
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Wer kann die Pflege übernehmen, bspw. das Heuen der Wiese?
Denn auch wenn eine Blumenwiese weniger Pflege benötigt als ein englischer Rasen, gilt es trotzdem, den richtigen Zeitpunkt zur Mahd zu beachten.
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Ist genügend Geduld vorhanden?
Es dauert ein Jahr, bis die ersten Blumen blühen und ca. fünf Jahre, bis die Wiese dann ihren eigenen Charakter ausgeprägt hat. Man muss sich bewusst sein, dass die Blumenwiese im Aussaatjahr eher einem Unkrautacker gleicht, auf den ersten Blick ungepflegt wirkt und kaum nutzbar ist. Im Laufe der Zeit entwickelt sich aber jede artenreiche Wiese zu einem Unikat, das je nach Standort, Nutzung und Pflege eine sich stetig verändernde Pflanzenzusammensetzung hervorbringt.
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Passt soviel Dynamik überhaupt in den Garten?
Eine Blumenwiese verändert ihr Aussehen von Woche zu Woche und von Jahr zu Jahr.
Anbauanleitung – Schritt für Schritt zur Blumenwiese
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Vorbereitung des Saatbetts
Bevor neu gesät wird, muss der bisherige Bewuchs restlos beseitigt werden – dies geschieht am besten durch ein Abschälen der Vegetationsschicht. Ein Um- oder Einfräsen der Vegetationsschicht führt dazu, dass sich in der Wiesenfläche nach einiger Zeit Absenkungen ausbilden, wenn sich die untergegrabene Vegetationsschicht zu zu zersetzen beginnt. Ein zusätzlicher Abtrag des Oberbodens kann dazu beitragen, dass der Standort magerer wird. Grundsätzlich gilt, je magerer der Standort desto artenreich die Blumenwiese. Da aber für einen grösseren Oberbodenabtrag schnell einmal schwere Baumaschinen notwendig sind, ist darauf zu achten, dass der Einsatz nicht zu Bodenverdichtung führt. Absolut Tabu im Naturgarten ist der Einsatz von Herbiziden um die bestehende Vegetationsschicht abzutöten. Nach der ersten Bodenbearbeitung, beginnt es nach drei bis vier Wochen erneut zu spriessen. Dieser Spontanbewuchs von meist einjährigen Pionierpflanzen sollte oberflächlich bearbeitet bzw. beseitigt werden – ca. 2 – 3 cm tief. Danach folgt eine Ruhephase von mindestens vier Wochen, in welcher sich der Boden richtig absetzen kann.
Am Tag der Aussaat wird der Boden ein letztes Mal, ganz oberflächlich, bearbeitet. -
Saat
Die ideale Saatzeit liegt zwischen Mitte April und Mitte Juni, also in dem Zeitpunkt, ab dem die Rotbuche austreibt. Wird davor oder danach ausgesät, führt dies meist zu einem Artenverlust oder einer überwiegenden Dominanz von Gräsern. Wichtig dabei ist es, die Fläche genau auszumessen und das Saatgut exakt abzuwägen. Die Saatgutmenge wird danach halbiert und in zwei verschiedenen Arbeitsgängen oberflächlich ausgestreut – einmal längs und einmal quer. Beachten Sie unbedingt, dass die frische Saat weder mit Erde zugedeckt noch eingedrillt wird, denn Wildblumensamen, die mit mehr als 1cm Erde bedeckt sind, keimen nicht mehr aus! Um den notwendigen, intensiven Erdkontakt zu gewährleisten, wird die Fläche sorgfältig gewalzt oder einfach mit einer Schaufel gut angeklopft.
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Jetzt braucht es viel Geduld – nicht jäten!
Nun müssen Sie tapfer bleiben, denn die Wildblumen keimen erst nach ungefähr vier bis acht Wochen aus, während die spontan auflaufenden Pflanzen aus im Boden schlafenden Samen bereits nach zwei bis drei Wochen keimen. Dieses Begleitgrün schützt die Saat jedoch vor direkter Sonneneinstrahlung und sollte deshalb während dieser Zeit nicht gejätet werden! Einzige Ausnahmen sind invasive Neophyten wie beispielweise Berufskraut oder Placken, die man vorsichtig entfernen kann. Oft fehlen aber die nötigen Pflanzenkenntnisse, um «gut» und «böse» zu unterscheiden und man verursacht schlussendlich mehr Schaden als Nutzen.
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Verzicht auf Bewässerung oder Dünger
Weniger ist mehr. Das Saatbett sollte niemals gewässert werden – auch nicht bei grosser Trockenheit. Und selbstverständlich wird auch auf Dünge- oder Pflanzenschutzmittel verzichtet! Die Geduld wird nach der ersten Überwinterung belohnt, und mit den Jahren wird die Wildblumenwiese immer schöner.
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Säuberungsschnitt im ersten Jahr
Säuberungsschnitte sind extrem wichtig, damit die Wildblumen genügend Licht um zu keimen haben und nicht vom Unkraut überwuchert werden. Wenn kein Licht mehr auf den Boden gelangt – ungefähr 8 Wochen nach der Aussaat – sollte der erste Säuberungsschnitt durchgeführt werden. Gemäht wird auf etwa 8cm Schnitthöhe. Je nach Bodentyp sind im ersten Jahr mehrere Säuberungsschnitte notwendig. Wichtig ist, dass das Schnittgut zusammengenommen wird und nicht auf dem Saatbeet liegen bleibt. Am einfachsten geht dies fast mit einem hochgestellten Rasenmäher.
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Folgejahre — rechtzeitig mähen und Schnittgut liegen lassen
Im zweiten Jahr sind Säuberungsschnitte nicht mehr notwendig. Die Wildblumenwiese sollte zweimal pro Jahr gemäht werden um die Artenvielfalt zu erhalten. Grundsätzlich gilt, zwischen Mitte Juli bis Ende August zu mähen, der richtige Zeitpunkt für die Mahd hängt jedoch von den jeweiligen Blühzeiten der Wildblumen ab. Es darf weder zu früh noch zu spät gemäht werden: Wenn die Wildblumenwiese vor dem Aussamen gemäht wird, können die Blumen nicht selbst aussähen, wenn man hingegen mit dem Mähen zu lange wartet, nehmen die Gräser überhand und Artenvielfalt geht verloren. Wichtig ist auch, das Schnittgut nach der Mahd vor Ort trocknen zu lassen. Einer der häufigsten Anfängerfehler — das Schnittgut direkt zu entfernen — führt dazu, dass die Samen nicht zurück in den Boden gelangen können. Deshalb gilt: Schnittgut vor Ort trocknen lassen und erst entfernen, wenn es getrocknet ist. Es ist sinnvoll, die Wiesenflächen alternierend zu mähen oder sogar einzelne Streifen oder Reststücke ganzjährig stehen zu lassen und erst im Folgejahr zu mähen. So wird der in der Wiese lebenden Fauna (z.B. Heuschrecken) nicht auf einen Schlag der komplette Lebensraum entzogen. Diese Bereiche sind wertvolle Rückzugsorte für die Insekten, wenn die Wiese komplett gemäht wurde. Der zweite Schnitt erfolgt dann ca. Mitte Oktober. Dieser Schnitt bereitet die Wiese auf den Winter vor, das Schnittgut muss nicht mehr getrocknet werden und kann gleich zusammengenommen werden. Zum Schutz der in der Wiese lebenden Fauna ist es am besten, den Schnitt von Blumenwiesen mit der Sense oder ggf. mit einem Balkenmäher durchzuführen. Freischneidegeräte, Fadenmäher oder Rotationsmäher zerstören beim Mähvorgang zahlreiche Insekten. Manchmal nutzen auch Amphibien, Reptilien oder Kleinsäuger die Wiesen als Unterschlupf, diese können ebenso durch den Maschineneinsatz verletzt werden.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und Genuss mit Ihrer eigenen Blumenwiese!